Auf dem Weg zum Abitur – mit einem Migrationshintergrund


Deutschland 1995 – ein ereignisreiches Jahr für meine Familie. Mein Name ist Melek Sürer, ich bin 18 Jahre jung, Tochter einer ehemaligen Flüchtlingsfamilie, die in Deutschland Schutz suchte und Asyl erhalten durfte. Zurzeit bin ich angehende Abiturientin an dem Ubbo-Emmius-Gymnasium in Leer, Ostfriesland.                                                                                                                   In diesem Artikel habe ich das Anliegen über meinen eigenen Migrationshintergrund und den meiner Familie zu berichten. Zum einen möchte ich einen besonderen Fokus auf das Asylverfahren meiner Eltern setzen und zum anderen, über das Ankommen und die Stolpersteine in einem fremden Land berichten. Die Informationen beruhen auf wahren Begebenheiten.

Meine Eltern kommen ursprünglich aus Şanlıurfa, einer Provinz in dem Südosten der Türkei mit über 2 Millionen Einwohnern. Der für die Flucht ausschlaggebender Grund war, dass wir keine Türken sind, sondern yezidische Kurden, die ihre Abstammung in der Türkei haben. Das Verhältnis zwischen den beiden Nationalitäten war bereits vor vielen Jahrhunderten sehr schlecht, es fand keine Gleichberechtigung statt, kurdische Kinder hatten einen schwereren Zugang zur Schule und zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit und viele weitere Aspekte, die viele kurdisch-stämmige Familien dazu brachte, aus der Türkei zu fliehen. Zudem beruhte die Diskriminierung auch auf unserer religiösen Zugehörigkeit. Die politische und religiöse Verfolgung sowie die Perspektivlosigkeit, waren folglich die ausschlaggebenden Gründe meiner Eltern, ihre Heimat zu verlassen und mit meinen vier Geschwistern über Umwege ins Aufnahmeland zu flüchten. In Deutschland angekommen, wurden sie bereits von Verwandten erwartet und empfangen, sodass meine Familie in der ersten Zeit bei ihnen unterkommen durfte. Dann begann schon der eigentliche Prozess: der Antrag auf Asyl.

Das Recht auf Asyl ist in Deutschland im Artikel 16a des Grundgesetztes (GG) festgelegt. Zuständig für die Bearbeitung von Asylanträgen ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlingen. Für die Unterkunft und die soziale Betreuung Asylsuchender sind die Bundesländer selbst verantwortlich. Grundsätzlich gibt es für Flüchtlinge fünf verschiedene Möglichkeiten, in Deutschland bleiben zu können: das Asyl, der Flüchtlingsschutz, der subsidäre Schutz, das Abschiebungsverbot und die Duldung.

Mit Blick auf den gewählten Kontext sind lediglich die ersten beiden Arten von hoher Bedeutung. Asylberechtigt und demnach politisch verfolgt ist eine Person, die im Falle der Rückkehr in ihre Herkunftsland einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung ausgesetzt sein wird, aufgrund ihrer Rasse, Nationalität, politischer Überzeugung, religiösen Grundentscheidung oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Dies traf auf die Situation meiner Eltern zu und der Prozess des Asylverfahrens nahm seinen Lauf.

Der erste Schritt war, dass sich meine Eltern nach der Ankunft darum bemühten, eine staatliche Stelle zu finden, wo sie sich registrieren lassen konnten und einen Ankunftsnachweis erhalten haben (Ankunft & Registrierung). Im Anschluss folgte die Antragstellung auf Asyl, woraufhin sie eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung erhalten haben, die sich räumlich auf den Bezirk beschränkte, in dem sich die zuständige Aufnahmeeinrichtung befand (persönliche Antragstellung). Daraufhin folgte die persönliche Anhörung, in der die Antragsstellenden, folglich meine Eltern, die Fluchtgründe schilderten und ihren Lebenslauf sowie ihre Lebensumstände darlegten. Zudem wurden sie sowohl über ihren Fluchtweg als auch über ihr Schicksal befragt. Am Ende einer solchen Anhörung wurde noch eine Einschätzung der Umstände, die sich bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland erwarten würden, von den Asylbewerbern erfordert. Schließlich entscheidet das Bundesamt auf Grundlage der persönlichen Anhörung und der eingehenden Überprüfung von Dokumenten und Beweismitteln, ob dem Antrag zugestimmt wird oder nicht. Im Fall meiner Eltern wurde dieser glücklicherweise bewilligt und ein sicheres Leben in Deutschland gewährt. Somit erlangten meine Eltern die Aufenthaltserlaubnis in Form eines Aufenthaltstitels. Meine Familie wurde danach in einer Flüchtlingsunterkunft in Niedersachsen untergebracht. Nach einiger Zeit hat man in Deutschland das Recht darauf, ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, eine sogenannte Niederlassungserlaubnis zu erhalten. Demnach stellten meine Eltern nach drei Jahren, so wie es das Gesetz damals erlaubte, einen Antrag auf das Niederlassungsrecht, da die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaften weiterhin vorlagen. In dieser Zeit absolvierten meine Eltern diverse Integrationsleistungen, die als weitere Voraussetzung für die Niederlassungserlaubnis notwendig waren. Im Gegensatz zu der Aufenthaltserlaubnis ist die Niederlassungserlaubnis eine zusätzliche Möglichkeit auf unbeschränkte Räumlichkeit bis auf das Herkunftsland. Mit der Zeit lernten meine Eltern die deutsche Sprache, die deutsche Kultur und das deutsche Recht kennen, während meine Geschwister den Kindergarten oder die Schule besuchen durften. Selbstverständlich ist so eine Zeit nicht leicht. Jedoch waren meine Eltern stets hoffnungsvoll und positiv, da sie in Deutschland leben dürfen, und ihre Kinder hier ein friedliches und sicheres Leben mit optimalen Bildungsmöglichkeiten erfahren dürfen. Doch alleine hätten meine Eltern das alles nicht bewältigen können. Sie hatten Unterstützung von verschiedenen Institutionen und Ämtern bekommen, die meinen Eltern bei der Antragstellung oder bei der Kommunikation behilflich waren.

Nun bin ich, Tochter einer ehemaligen Flüchtlingsfamilie, auf dem Weg zum Abitur. Aus welchem Grund aber führe ich das an? Es zeigt mir, wie gut die Integration meiner Eltern verläuft und inwiefern sich die Wünsche meiner Eltern erfüllen durften und sie erleben dürfen, dass ihre Kinder uneingeschränkt Bildung genießen können und sich eine zuversichtliche und vor allem sichere Zukunft aufbauen dürfen. Ich bin mir sicher, dass ich diese Art von Bildung und Lebensweise in der Türkei nicht hätte haben können. Umso dankbarer bin ich heute für die Entscheidung und die Flucht meiner Eltern in der Europäischen Union Sicherheit und Frieden gesucht zu haben. Ein großer Dank gilt immer noch dem Rechtsstaat Deutschland.

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